Sonntag, 16. Februar 2014

Urlaubsblog II - Von Hausbooten, Silvester und Vasco da Gama

In der Nacht vom 30. auf den 31. Dezember ging es also mit dem "Sleeper Bus" von Panjim, Goa, nach Mangalore, einer bedeutenden Hafenstadt im Bundesstaat Karnataka. Einen "Sleeper Bus" muss man sich dabei wie einen normalen Bus vorstellen, nur dass über den "normalen" Sitzen Liegen angebracht sind, welche über Vorhänge verfügen, die einem etwas Privatsphäre gewähren. Man chillt also auf diesen Liegen, öffnet das eigene Fenster, genießt den Fahrtwind, blickt in den Sternenhimmel, schläft dann irgendwann ein und ist am nächsten Morgen am gewünschten Ziel - eine super Sache!

Zähneputzen, während wir auf den Sleeper Bus warten

Angekommen in Mangalore richteten wir uns zunächst einmal im Hostel ein und gingen etwas essen. Danach besichtigten wir die tatsächlich gepflegte "Kleinstadt" (500.000 Einwohner). Auch hier war ein europäischer Touch zu erkennen, wenn auch nicht so stark wie in Panjim.
Nachdem wir das Meiste der Stadt gesehen hatten (eine Kirche mit großem Friedhof und einen Park), entschieden Malte und ich den ca. 20 km entfernten Strand zu besichtigen.

Dazu fuhren wir mit der Rikscha etwas außerhalb der Stadt, an Vororten mit Dutzenden Schulen vorbei, von denen aus sich Schülerinnen und Schüler jeglicher Altersgruppen gerade auf den Nachhauseweg machten. Auffallend waren die vielen Schülerinnen, welche durch die Burka verhüllt unseren Weg kreuzten. Sowieso war der Ort sehr muslimisch geprägt, was auch durch die zahlreichen Minarette deutlich wurde.
Als wir dann endlich den Strand erreichten, bot sich uns ein fantastisches Bild: ein langer Sandstrand, auf dem alte Fischerboote in der Sonne dösten, umringt von hunderten Palmen mit Kokosnüssen, unter denen ein paar Fischer gerade ihre Netzte flickten. Ein unglaublich idyllischer Ort. Nachdem wir in der Brandung gebadet hatten, bestellten wir uns noch ein kleines Schälchen Reis mit chilli Pulver und Zwiebeln und genossen die abendliche Dämmerung. Ein Fischer rief uns zu sich, um ihm zu helfen, sein Fischerboot aus dem Wasser auf den Strand zu ziehen. Nachdem der Kahn endlich an seinem Platz angekommen war, wollte der Fischer sich mit mehreren Fischen erkenntlich zeigen, was wir selbstverständlich dankend ablehnten.


Großvater und Enkel beobachten die Fischer
Puffreis mit Chillipulver und Zwiebeln - erstaunlich nice 




Malte vor muslimischer Familie 
Zu diesem Zeitpunkt kamen nunmehr immer mehr Muslime, Hindus und sonstige in Indien lebende Familien zu diesem Strandabschnitt, um den Sonnenuntergang am Strand zu genießen. Alle bestaunten das schöne Licht und das leise Rauschen des Meeres - Malte und Ich natürlich inbegriffen. Dieses natürliche Schauspiel sorgte dafür, dass alle Menschen sprachlos und friedlich nebeneinander saßen und wir - trotz nacktem Oberkörper und Badehose (was nicht so ganz zu den Burkas, Saris und Abayas  passte) - waren ein Teil davon. Wir wurden nicht von allen extra behandelt, nur weil wir weiß waren, wir fühlten uns zum ersten mal so richtig dazu gehörig - und das alles an diesem magischen Strand, den ich mein Leben lang nicht vergessen werde.







Es war also mal wieder ein richtig guter Tag und auch, wenn die Silvesterparty später (typisch indisch) bereits um 1.00 am dicht gemacht hatte, so feierten wir noch weiter im Hotelzimmer, ehe es am 1. Januar weiter in den Süden nach Alleppey, Kerala und damit zu den Backwaters gehen sollten. Kaum am Busstand in Alleppey fing uns auch schon ein junger Inder ab, der meinte, wir sollten doch auf seinem Hausboot übernachten. Da wir Letzteres eh vorhatten und mal wieder nicht genau wussten wo wir sonst so auf die Schnelle ein Boot auftreiben sollten, entschieden wir, uns das Boot wenigstens einmal anzugucken. Begeistert von der Größe, den Zimmer und (vor allem) den Matratzen entschieden wir (Markus, Lisa, Philipp, Michi, Vivianne, Lisa und Ich) das Boot zu nehmen und somit eine Nacht auf den berühmten Backwaters zu verbringen. In meinen Vorstellungen waren die Backwaters wilde, amazonasähnliche, von wild wuchernden Palmen, Sträuchern und Gräsern umgebende, tief in das Landesinnere hineinragende, geschlängelt Flüsse, auf denen man sich wie ein Entdecker im Urwald fühlen müsste. Die Realität sah etwas anders aus: 
Wir tuckerten zusammen mit hunderten anderen Hausbooten auf großen, autobahnähnlichen Kanälensystemen vorbei an Reisfeldern und Wiesen und ein paar wenigen Palmen. Die Tatsache, dass es auch noch richtige Straßenregeln gab (es wurde natürlich auf der linken Seite gefahren) machte das ganze noch absurder. Wie ein Naturwissenschaftler auf urwaldiger Amazonasmission kam ich mir keineswegs vor - eher wie ein Straßenvermesser auf einem fahrenden Haus während des Feierabendverkehrs auf der A1 Richtung Hamburg. Aber gut, das kommt dabei raus, wenn man zu utopische Erwartungen an bestimmte Dinge setzt. 




Reisfelder, Gras, Palmen

Stau oder stockender Verkehr...



Verschlafen aber glücklich am Frühstückstisch

Nichtsdestotrotz war die Hausboot-Tour in meinen Augen eine sehr schöne Erfahrung. Wir hatten eine super liebe Crew, die uns fantastisch bekochte (ganz großes Lob nochmal) einem jeden Wunsch erfüllte, tierisch entspannt war und trotzdem schien es, als hätten sie zu jeder Zeit immer alles im Griff - super! Vor Touristenjägern ist man jedoch auch auf dem Wasser nicht sicher. Gerade, als man sich in Sicherheit vor lästigen Verkäufern wiegen wollte, fährt ein kleines Motorboot, beladen mit Chips, Fisch, Snickers, Cold Drinks und Eiscreme an einem vorbei; der Verkäufer lächelt freundlich und schaffte es sogar uns ein paar Snickers und geschmolzene Cornetto's zu verkaufen. Unglaublich. 
Am Abend wurden dann, nachdem wir den  Sonnenuntergang von einer Insel aus bewundert hatten und baden waren, Karten gespielt, einige Diskussion bezüglich unterschiedlichster Themen geführt und das ein oder andere Bierchen getrunken. War ein sehr schöner Abend.


Am nächsten Morgen beschlossen wir noch eine weitere Nacht in Alleppey zu bleiben und entschieden uns für ein sehr schönes Gasthaus von dem alten Bekannten, der uns bereits die Bootstour organisiert hatte. Er weiß, wie man die Touris rumkriegt. Aber nichtsdestotrotz war die Bude absolut preiswert: eine Wohnung mit Badewanne (!) für umgerechnet 2,50 € die Nacht pro Person ist eigentlich schon unverschämt... Alleppey an sich war nun nicht einer der schönsten Städte Indiens, aber der Marari Beach, etwa 20 Minuten mit der Riksha entfernt, hat nochmal alles rausgeholt. Es war ein völlig ruhiger, von der Tourismusbranche noch nicht entdeckter, traumhafter Pamlen-Sandstrand wie man ihn sich vorstellt. Es gab 1-2 Strandverkäufer, die direkt am Strand leben und gemerkt haben, dass sie ja nun mit den einigen wenigen Tourist, die sich zufällig zu diesem wunderschönen Ort verlaufen, Geld machen können. Er verkaufte uns 2 Flaschen Wasser und eine Cola (mehr hatte er nicht) und erzählte uns, dass das für ihn ja alles so neu sei, dass er jetzt hier Geld verdienen könnte und entschuldigte sich, dass er nur eine Cola habe: "Sonst kauft die ja keiner", sagte er.


Dann holte er uns eine Kokosnuss von der Palme, schnitt sie auf, steckte einen Strohhalm rein und reichte sie uns. Genial. Ich hoffe sehr, dass dieser Ort weiterhin so unberührt bleibt und der Strandverkäufer sich noch viele weitere Tage an den wenigen fröhlichen Touristen erfreuen kann, ohne gegen Strandhotels, Restaurantketten und Strandläden ankämpfen zu müssen.


St. Francis Church, Kochi 
Auch in der Kirche werden die Schuhe ausgezogen! 









Chinesisches Fischernetz 
Im Hintergrund der Industriehafen
Am nächsten Tag ging es mit dem Bus nach Kochi, einer sehr gepflegten, ruhigen Hafenstadt am Meer. Sehenswürdigkeiten der im europäischen Stil erbauten Kleinstadt sind zum einen die chinesischen Fischernetze, das jüdische Viertel und die erste von Europäern in Indien erbaute christliche Franziskanerkirche. Die Fischernetze sind riesige Gebilde, welche mithilfe von Dutzenden 100kg schweren Steinen ins Wasser gelassen werden und nach ca. 5 Minuten wieder hochgeholt werden - das Ergebnis ist verblüffend: auf der ca. 100 Quadratmeter großen Netzfläche befinden sich tatsächlich immer wieder zappelnde Fische. Alles in allem also sehr effektiv die Dinger! 
Da wir nur einen Tag hatten, um Kochi zu erkunden, haben wir uns entschieden auf eine altbewährte Methode zurückzugreifen: Roller mieten! Mit den elektrischen Gefährten konnten wir innerhalb eines Tages alles abklappern, was Kochi so zu bieten hatte. Das schöne jüdische Viertel mit Synagoge und die St. Francis Church, in der Vasco da Gama 1524 (soweit ich weiß) beigesetzt wurde. Kochi war zur Kolonialzeit eine Handelsniederlassung der Portugiesen, was die teilweise europäisch Gestaltung der Stadt durchaus erkennen lässt. Daher trifft man in Kochi sehr viele Portugiesen, die u.a. ihrem Idol Vasco da Gama möglichst "nahe" sein wollen.


Auf dem Nachhauseweg wurden wir auf unseren Rollern dann noch von der Polizei angehalten. Wir befürchteten das Schlimmste (da wir eigentlich keine offizielle Permission hatten, als auch einfach von irgendwelchen Privatleuten uns die Roller ausgeliehen hatten) kamen allerdings sehr glimpflich aus dem Ganzen heraus. War definitiv eine interessante Erfahrung und sie hat gezeigt, dass längst nicht alle Polizisten hier korrupt sind. 




Ein typisches Sleeper Abteil
 in einem indischen Zug 



 

























Michi und ich an der geöffneten Zugtür






Am nächsten Morgen ging es dann mit dem Zug bei schönster Abendstimmung nach Coimbatore, von wo aus wir zurück nach Delhi flogen, um meine Reise durch das entspannte Südindien zu beenden. Es war ein sehr spannender, schöner und aufregender Trip auf den ich unglaublich viel erlebt hatte und neue Erfahrungen sammeln konnte. Eine Zeit, die ich mein Leben lang nicht vergessen werde und ich danke allen Leuten, die den Trip zu etwas ganz besonderes gemacht haben!

Eigener Privatjet *hust*
Peace,


Euer Jonas 

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