Mittwoch, 11. Dezember 2013

Ich lebe noch!

Liebe treue Blogleser,

zunächst einmal möchte ich ein ganz dickes "Entschuldigung" aussprechen, dass ich mich nun erst wieder melde. Es ist viel passiert innerhalb der nunmehr fast 4 Wochen (sorry!!), wobei das sicherlich nicht alle Bologneser interessiert hätte.

Hier zunächst mein Quartalsbericht, der die letzten 3 aufregenden Monaten bezüglich meiner Arbeit und dem WG-Leben in dem kulturell (teilweise) herausfordernden Land Indien resümiert. Es werden bald einige Blogeinträge über den ein oder anderen Wochenendtrip außerhalb Delhis folgen, versprochen!

Nur mal kurz die Welt retten


Mann, wie die Zeit vergeht! Die ersten drei Monate meines IJFD Dienstes in Neu Delhi, Indien sind bereits vorbei und es fühlt sich an, als ob ich hier bereits seit 2 Jahre leben würde.
Aber der Reihe nach...

Nachdem wir (Markus, Lisa, Jenny, Rebecca und meine Wenigkeit) problemlos mit dem Taxi vom Flughafen abgeholt und zu unseren jeweiligen Wohnungen gefahren wurden, bereiteten mir Lisa und Gitti einen herzlichen Empfang. Ich – noch immer vollkommen geplättet von all den Eindrücken, welche wie Hagelkörner während der Taxi-Fahrt zur Wohnung auf mich eingeschlagen waren – war völlig erschöpft von dem endlos langen Flug und versuchte mich bei angenehmen 36° erst einmal auszuruhen – vergeblich. Die schlechte Luft, der Smog, der Staub und die Hitze machten mir die ersten paar Tage dann doch mehr zu schaffen, als erwartet. Ohne die Fans wäre ich sicherlich an einem Hitzekollaps gestorben und mein Dienst wäre zu Ende gewesen, bevor er überhaupt angefangen hat. Glücklicher Weise ist das ja nochmal gut gegangen.

Am nächsten Tag ging es dann auch gleich los in das Projekt. Bei einer Affenhitze fuhren Lisa und ich etwa 20 Minuten von unserer Wohnung zum Prayas Head Office. Nachdem mir Lisa bereits erzählt hatte, dass sie sich, obwohl sie 2 Wochen vor mir angekommen war, noch nicht wirklich in das Projekt einleben konnte und, statt mit den Kindern im Unterricht, hauptsächlich im Office am Computer arbeiten würde, war mir schon leicht mulmig zu Mute, was mich da erwarten würde.
Es gab ein kurzes „Hallo“ beim Chef des Head Offices, der auf mich gestresst, aber auch sehr nett wirkte und mir nach dem üblichen Begrüßungssmaltalk („How are you? How was your flight? Where do you live? Welcome at Prayas“ ect. pp.) gleich eine Lehrerin zur Seite stellte, die mich im Anschluss durch das Head Office, was gleichzeitig auch ein Mädchenheim ist, herumführte.
Das Head Office/Mädchenheim machte auf mich einen guten Eindruck. Dass gewisse „Standards“ hier anders sein würden, war mir selbstverständlich vorher klar und so wirkte der beißende Geruch der Toiletten im gesamten Gebäude nicht allzu störend.
Nachmittags malten wir mit den Mädchen aus dem Heim ein paar Bilder und gingen für eine halbe Stunde raus in den „Garten“ des Projekts, um „Ente, Ente, Gans“ und andere intellektuell herausfordernde Spiele zu spielen. Gleich der erste Tag hat mich in meinem Vorhaben, nach dem Abitur mit Kindern in einem Entwicklungsland zu arbeiten, bestätigt. Es war zwar durchaus anstrengend, gerade weil man mit zwei Wörtern Hindi („Namaste“ und „Chay“) nicht gerade all zu viele Konversationen mit den Kindern führen konnte, hat aber auch sehr viel Spaß gemacht und ich freute mich schon auf die nächsten Tage, die sich jedoch als relativ ereignislos herausstellen sollten.
In den darauffolgenden Tagen saßen wir im Büro, in dem Lisa die letzte Zeit immer gearbeitet hatte und taten nichts. Gar nichts. Es gab uns niemand eine Aufgabe und niemand fühlte sich dafür zuständig uns eine zu geben.  Unsere Koordinatorin (zumindest auf dem Papier) befand sich irgendwo im Nirgendwo und es dauerte ca. 1 ½ Wochen bis ich sie dann zum ersten mal sehen durfte. Nach einer (sehr) kurzen Vorstellung überreichte sie mir einen Zettel, in dem ich kurze Sätze darüber schreiben sollte, was ich mir von dem Projekt erwarte und warum ich diesen Dienst angetreten bin usw. . Ich fragte mich gar nicht erst, ob meine englische Bewerbung denn überhaupt gelesen wurde und versuchte diese so gut es ging in meinem Kopf zu rezitieren und vervollständigte das Blatt. Dann sagte sie mir, ich würde im Boys Center in Jahangirpuri in Nord-Delhi arbeiten und versicherte Lisa und mir, dass sie uns so bald wie Möglich eine Führung zu den verschiedenen Centern von Prayas organisieren würde und verschwand von dem Moment an wieder spurlos - wie Batman.
Es vergingen die ersten 2 Wochen, in denen wir bis zum Mittagessen immer im Büro saßen und nichts - manchmal auch gar nichts - zu tun hatten und erst am Nachmittag mit den Mädchen, die dann aus dem Unterricht kamen, malen und spielen konnten – das wirklich Gute an jedem Tag. Man freute sich nur auf den Nachmittag, wenngleich es auch schwer war sich nach 4 Stunden nichts tun wieder dazu zu motivieren mit den Kindern zu spielen. Somit war der Vormittag quasi Geschichts- und Chemie- und der Nachmittag Englisch- und Sportunterricht – langweilig und einschläfernd vs. interessant, spaßig und ereignisreich.
Als wir dann endlich die unterschiedlichen Center besuchen konnten, war die zweite Lisa bereits im Projekt eingetroffen. Das Boys Center, wo ich eigentlich arbeiten sollte war ca. 1 ½ Stunden (plus insgesamt 1 Stunde Fuß- bzw. Bus/Rikshafahrt) mit der Metro von unserer Wohnung entfernt und nicht gerade ein Ort des Friedens und der Glückseligkeit. Ich habe sofort gemerkt, dass dies nicht der Platz sein sollte, an dem ich für ein Jahr arbeiten würde, auch wenn es mir mit den Jungs sicherlich sehr viel Spaß gemacht hätte, so habe ich alle Mädchen und auch die Menschen, die im Office mit uns zusammen „arbeiten“ nach dem ersten Monat bereits in mein Herz geschlossen und wollte da nun auch eigentlich nicht mehr weg. Des weiteren habe ich mir eine Beschäftigung für die langweiligen Vormittage gesucht: Englischunterricht für einen der fleißigen Arbeiter im Office. Es machte mir viel Spaß und es freute mich sehr zu sehen, dass er wissbegierig und dankbar für den „professionellen“ Unterricht war.

Die Arbeit im Office wurde jedoch immer nerviger, da wir auf einmal mehr als nur alle Hände voll zu tun hatten. Nicht, dass ich mich über Arbeit beschweren will, ich habe ja immer darum gebeten, dass wir mal etwas zu tun bekommen, aber jetzt kamen alle möglichen Büroangestellte an und beluden uns mit irgendwelchen Aufgaben, die wir doch bitte für sie machen sollten. Das war ja alles schön und gut, aber die Tatsache, dass besagte Büroangestellte dann früher nach Hause gingen und zum Teil gar nicht mehr erschienen und wir ihre Arbeit machten ging uns dann doch zu weit. So suchten wir Hilfe bei der Leiterin des Education Offices. Sie betätigte ein paar Anrufe und in den darauffolgenden Tagen besuchten wir zahlreiche sogenannte Community Centers, in denen wir letzten Endes arbeiten sollten.

Der Jetzige Stand ist so, dass wir, also Lisa, Lisa und ich, jeweils drei Tage in den Community Centers und 2 ½ Tage in dem Head Office als Lehrer für die Kinder arbeiten. So wie ich mir das die ganze Zeit vorgestellt hatte. Obwohl uns gesagt wurde, dass die Freiwilligen der letzten Jahre die Klassen wohl nicht „weitergebracht“ hätten und wir deshalb eher im Office arbeiten sollten (wo wir ja bekannter Weise wenig zu tun hatten), habe ich dennoch den Eindruck, dass wir sowohl die Lehrer im Head Office als auch die im Community Center durch unser Dasein mehr als nur unterstützten. Es gibt klare Arbeitsteilung: Ich bin für die English- und Mathe-, die Lehrerin im Community Center für Hindiaufgaben zuständig. Dieses Konzept geht prima auf und nun bin ich mit meiner Arbeit mehr als nur zufrieden.

Fazit: Es war zu Beginn sehr schwer seine Aufgabe zu finden, da keine Person sich für einen zuständig fühlte und es war besonders schwer einen Sinn hinter dem Nichtstun zu erkennen. Nach einiger Zeit jedoch merkt man, welche Personen einem wirklich helfen können und die Arbeit dort auch ernst nehmen. Nun bin ich sehr glücklich mit meiner Arbeit und freue mich immer wieder jeden Tag auf die Kiddies, die mich jeden Morgen zur Begrüßung umarmen – alle 30! Bei welchem „Job“ wird man denn schon so sehr geliebt?

In die WG habe ich mich auch sehr schnell einleben können. Ich wohne mit 4(!) Mädchen in einer Wohnung für 4 Personen, was bedeutet, dass ich mir im Wohnzimmer, abgetrennt durch einen selbstgebauten Vorhang, mein eigenes Zimmer einrichten musste – Privatsphäre ist so selten gegeben und manchmal wünsche ich mir einfach die Tür schließen zu können und ruhig in meinem eigenen Zimmer sein zu können, aber die Mädchen teilen ihr Zimmer ja in der Regel ebenfalls mit einer Person, von daher ist das schon okay. Glücklicher Weise gibt es innerhalb Delhis noch weitere Jungs, zu den ich hin und wieder „flüchten“ kann; denn wenngleich ich alle meine Mitbewohnerinnen wirklich lieb habe und wir uns alle super ergänzen, so brauche ich manchmal einfach doch Jungs um mich herum, für Gespräche oder teilweise auch, um mal andere Musik hören zu können.
Aber ich habe mich super eingelebt und wir sind zu einer guten Gemeinschaft zusammen gewachsen. Trotz der kleinen eben angesprochenen Probleme möchte ich hier eigentlich nicht mehr weg ziehen und bin froh, so liebe Mitbewohnerinnen um mich rum zu haben, die einen aufbauen und immer für einen da sind. Da hätte ich es durchaus schlimmer treffen können.

Des weiteren kann ich über meinen IJFD sagen, dass er mich in so vielen Bereichen weiter gebracht hat, die ich hier gar nicht alle aufzählen kann, weil es den Rahmen dieses Berichts durchaus sprengen würde. Nichtsdestotrotz empfinde ich Indien als ein unglaublich interessantes und kulturell ansprechendes Land, welches so viele Fragen aufwirft, die ich durch Gespräche mit Indern oder mit den anderen Freiwilligen zu erklären bzw. zu verstehen versuche, sei es die arrangierte Hochzeit, das Wirtschaftswachstum oder die Sackgasse namens Kultur, die Indien so prägt und definiert. Das alles lässt mich langsam die Globalisierung und all ihre Auswirkungen besser verstehen, da man im Prinzip einen vollkommen anderen Blickwinkel auf alles entwickelt hat und genau das macht diesen Freiwilligendienst aus und ich bin sehr dankbar hier sein zu dürfen und bin gespannt, was ich in meinem nächsten Quartalsbericht alles berichten werde.



Kuss und Schluss,


Euer Jonas 



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