Montag, 23. September 2013

Head & Shoulders und durch den Monsun

So ihr Lieben, wird mal wieder Zeit ein Lebenszeichen von mir zu geben, weswegen ich jetzt einfach mal alles aufschreibe, was mir gerade so durch den Kopf geht.

Also zunächst mal ist es endlich soweit... Wir, das sind meine vier Mitbewohnerinnen Lisa, Lena, Lisa und Gitti, haben Hindi-Unterricht!
Dafür müssen wir gerade mal knapp 8 Minuten zu Fuß die IGNOU Road entlang gehen, um die Schule zu erreichen. Die Schule ist hierbei ein als Klassenraum eingerichteter Raum im Haus unserer liebevollen Lehrerin Savita. Sie lebt mit ihrem Mann in einer Wohnung über dem Klassenraum und ist wie eine Mutter zu uns. Zur Begrüßung gab es eine Umarmung, Küsschen links, Küsschen rechts - für hiesige Verhaltensweisen eher untypisch. Ihr Mann ist ein ebenso herzlicher Mensch, der einige Jahre in der Schweiz studiert hat und von Europa begeistert ist.
Wir lernen also im kleinen gemütlichen Klassenraum, bekommen Kekse, Chai und Wasser und lernen fleißig Hindi und können auch nach 2 Stunden schon ein kleines bisschen sprechen (Mujhai tori-tori Hindi ati hai.). Wir fühlen uns also pudelwohl bei der Savita und haben nun abends nach der Arbeit 3 mal die Woche 1 1/2 Stunden Unterricht und es macht echt Laune.

Ansonsten sei noch erwähnt, dass es neulich mal geregnet hat - und zwar so richtig...
Es war Samstag vormittag und die Lisa und ich kamen gerade vom Projekt zurück, als es zu schütten anfing.
Damit meine ich nicht son Nieselregen wie es an der Ostsee an jedem denkbaren Novembertag der Fall ist, sondern richtige Monstertropfen! Das hat geschüttet wie aus Badewannen und wir waren in kürzester Zeit unglaublich nass - soweit der Vormittag. Der Nachmittag sollte noch eine kleinere Steigung von dem sein, was uns bis dahin als "nass" vorkam... Ich begab mich in die Stadt, um eine Möglichkeit zu finden irgendwo Sport treiben zu können und kam mit anderen Freiwilligen zurück zu unserer Hauptstraße - nur war da keine Straße mehr. Vor uns erstreckte sich ein Reißender Fluss, in der Autos, Rikschas, Mofas und Fußgänger in totalem Chaos versinken. Das Wasser ging einem bis zum Knie und man hatte Mühe voranzukommen bzw. gar nicht die Möglichkeit, wenn man sich in einer Rikscha befand, deren Motor streikte nämlich verständlicher Weise. Rikschas sind eben nicht für Fahrten durch 30cm hohe Flüsse geeignet. Mit Flip Flops kam man überhaupt nicht voran, da man sie in den reißenden Fluten sofort verloren hätte. Ich hatte an besagtem Tag glücklicherweise mal feste Schuhe angezogen - zufällig. Desweiteren hörte es nicht auf zu schütten und die Händler versuchten teilweise verzweifelt das Wasser aus ihren Läden zu bekommen. Kurz gesagt: es herrschte das totale Chaos.
Aber das unglaubliche daran war jedoch, dass nach kurzer Zeit, diese als ausweglos erscheinende Situation, allen Menschen ein lächeln ins Gesicht zauberte. Wir liefen durch die Straßen, sangen "Durch den Monsun" von Tokio Hotel (endlich war deren Musik mal für etwas gut) und alle Leute am Straßenrand machten eine Laola-Welle sobald Menschen sie passierten auf dem Weg durch den "Ignou River". Selbst die Leute, die in kleinen Bussen festsaßen sangen mit dem Radio mit und wussten selber nicht wie ihnen geschieht. Es war einfach absolute Situationskomik.
Komisch war auch, dass die Straße am nächsten Tag extrem sauber aussah, also hatte das ganze auch sein Gutes. Jetzt habe ich auf jeden Fall verstanden, warum die meisten Shops alle auf Stufen stehen bzw. eine kleine Mauer vor den Eingang gebaut haben. Das macht durchaus Sinn. Dabei war das nur ein ca. 4 stündig andauernder Monsun. Ich freue mich schon auf die Monate Juni-August. Das könnte interessant werden. Bau- und Kaufpläne für ein Gummiboot sind bereits in Arbeit, ebenso wie die Geschäftsidee von "Boat-Rikschas"- ich halte euch auf dem Laufenden.



Ansonsten lässt sich sagen, dass ich hier wirklich langsam angekommen bin und das nicht nur physisch. Wir haben neulich noch weitere Prayas Shelter besucht Teilweise waren das nur ca. 15 qm große Räume, in denen 30 Schüler von 6-14 auf dem Boden saßen und gelernt haben. Sie waren aber so glücklich lernen zu dürfen, haben sich riesig gefreut als wir sie besucht haben - ebenso wie die Lehrerinnen - und waren einfach zum anbeißen, allesamt zum knuddeln. "Head & Shoulders, Knees and Toes" ist übrigens ihr Lieblingssong. 

Am Freitag wurden wir von zwei 10 jährigen Jungs aus unserem Office abgeholt, die uns zu ihrem ebenso kleinen Klassenraum führten, was ungefähr 30 Minuten Fußmarsch waren durch alle möglichen Gassen. Ohne die boys hätten wir nie zurück gefunden. Während des gesamten Weges hatten die beiden Racker den Arm um die Schulter des jeweils anderen gelegt und sind so voran gegangen. Ich empfand das als eine sehr rührende und schöne Geste. Sowieso sieht man hier häufig Männer und Frauen teilweise Händchen haltend durch die Straßen gehen, ein Zeichen von enger Verbundenheit und Freundschaft. 

Wenn jemand gesagt hat, die Menschen in Indien seien eher berührungsscheu, so kann ich dieser Aussage definitiv nicht zustimmen. Schön ist auch, dass ich langsam verstanden habe, dass die ernsten Blicke, die man hier als "Weißer" überall entgegen gebracht kriegt, einfach aus Neugierde heraus bedingt sind. Wenn ich dann zu lächeln anfange, so lächeln alle sofort freundlich zurück, fragen wie es mir so geht oder laufen mit einem Lächeln winkend einfach an mir vorbei. 

Zum Klima an sich habe ich noch gar nichts gesagt, wie mir aufgefallen ist. Momentan liegen die Temperaturen hier am Tag bei ca. 36°, in der Nacht "kühlt" es auf angenehme 31° ab. Wenn der Strom allerdings nachts ausfällt, schwitzt man wie ein Käse.  Im August ist es allerdings trocken, sodass man es relativ gut aushalten kann. Der heißeste Tag war bisher der Tag nach dem "Monsun". Durch den vielen Regen ist die Luftfeuchtigkeit auf 83% angestiegen und dazu haben wir 43° gemessen. Man konnte kaum rausgehen. Allerdings gewöhnt man sich auch daran und ich finde es im Prinzip sehr angenehm. Besser als verregnete Herbsttage bei 14° und Dauerregen im schönen Norddeutschland. Bah! 

Der Strom in unserem Wohnviertel war übrigens - sofern man keinen Generator besaß -  für die gesamte Nacht nicht vorhanden, was aber auch nicht weiter schlimm war. Wir hatten ja Kerzen und einen Gasherd. Manchmal können die "simpleren" Dinge auch von Vorteil sein - mit einem Induktionsherd wären wir beispielsweise verhungert. Das modernste ist also nicht immer das praktischste. 
Man gewöhnt sich an die Menschen, unterschiedliche Gesten, kulturelle Barrieren und auch an das Essen und man lernt über Dinge (wenn zum Beispiel eine Katze über die Straße läuft und viele Rikscha Fahrer anhalten, 4 Minuten warten, 3 Streichhölzer entzünden und ihre Fahrt weiter fortsetzen) zu lachen, das macht vieles einfacher - wie gesagt, so langsam bin ich angekommen. Und es fühlt sich gut an. 


Küsschen links, Küsschen rechts,


Euer Jonas 

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